Dienstag, 5. Juli 2011

Sebastian Fitzek - Der Augensammler

Wenn man fünf sehr erfolgreiche Psychothriller geschrieben hat und dadurch als einer der besten und anerkanntesten Autoren in diesem Metier in Deutschland gilt, dann kann man sich möglicherweise einen sachdienlichen, aber überheblich wirkenden Hinweis noch vor Beginn der Story erlauben. Das gilt selbstverständlich nur dann, wenn der anschließende Roman erneut die erwartete Klasse mit sich bringt, wobei es eigentlich normal ist, dass ein Werk in den Augen des Lesers über dem anderen Werk steht oder umgekehrt. Niemand schreibt immer auf gleichbleibendem Niveau und trifft immer alle Geschmäcker. Ein Serienkiller ermordet die Mutter, entführt die dazu gehörigen Kinder und gibt dem Vater anschließend exakt 45 Stunden und 7 Minuten Zeit, um diese zu finden. Für den Täter ist dies das älteste Spiel der Welt, Verstecken, allerdings nach seinen Regeln. Bisher wurden alle Kinder tot aufgefunden, ertränkt. Und es fehlte ihnen ein Auge. Hört sich grausam, spannend, aber nicht umwerfend originell an. Muss es ja auch nicht sein, wenn Spannung, Geschichte und Geschwindigkeit stimmen. 

Sebastian Fitzeks sechster Roman „Der Augensammler“ beginnt im gewohnt guten und atemberaubenden Stil. Der Protagonist erschießt in seiner Eigenschaft als Polizist und Verhandlungsführer seiner Behörde in Berlin eine Frau, die in ihrem Wahn ein Baby von einer Brücke werfen will. Daraus ergeben sich posttraumatische Erlebnisse, Alexander Zorbach (so sein Name) wird aus dem Dienst entfernt, verliert seine Familie und arbeitet nun als Reporter für Polizeiangelegenheiten bei  der ansässigen und renommierten Tagespresse. Logischerweise ist er dabei nach wie vor dicht am Geschehen und somit auch in die aktuellen Fälle involviert. Es dauert nicht lange, da wird er selbst zum Hauptverdächtigen, trifft auf eine blinde Physiotherapeutin (Alina Gregoriev), die hellseherische Fähigkeiten besitzt und in die Vergangenheit blicken kann, wodurch sich Hinweise zur Klärung des Falles ergeben.

Entschuldigung, das ist soweit an den Haaren herbei gezogen und vollkommen unrealistisch, dass man eigentlich bereits an dieser Stelle dazu geneigt ist, das Buch zu zuklappen und den Roman abzuhaken. Da nutzen gekonnt falsch gelegte Fährten und spannungsgeladene, kurze Kapitel kaum noch etwas. Die übertrieben vielen, kursiv geschriebenen Gedankengänge mögen für manchen Leser von Bedeutung sein, für mich sind sie weitestgehend überflüssig und auch nervig. Zudem fällt es mir schwer drüber hinweg zusehen, dass die Handlung im deutschen Berlin spielt, was ich eigentlich sehr gut finde, aber was haben da die klischeebehafteten Handlungen zu suchen, die man eigentlich nur in amerikanischen Wildwest-Thrillern vermuten würde? Eine schnelle Nummer zwischen sexuell ausgehungerten, obwohl das Ultimatum unmittelbar abzulaufen droht und ein übel folternder Kripobeamter, wie man ihn ansonsten in drittklassigen US-Krimis findet, sprechen nicht gerade für ein Meisterwerk der Unterhaltung, schon gar nicht für einen guten Psychothriller. Und letztlich finde ich diesen Fitzek auch sprachlich bei weitem nicht so geschliffen wie seine bisherigen Romane.

Vielleicht kann sich der Autor wegen seiner Idee, die Seitenzahlen und die Kapitel rückwärts zu zählen, in die Fortsetzung dieser Geschichte retten, vielleicht ist genau dies das Gimmick, wodurch Fans dieses Buch als Ausrutscher verzeihen und sich schon auf den neuen Roman von Sebastian Fitzek freuen. „Der Augensammler“ hat auf jeden Fall deutliche Schwächen und ist nicht mehr, als einer von vielen, nichts sagenden Thrillern, den ich so nicht erwartet hätte. Eine Enttäuschung!

ISBN-10: 3426503751
ISBN-13: 978-3426503751
439 Seiten
erschienen am 01. Juni 2011 als Taschenbuch im Knaur TB Verlag
erschienen am 01. Juni 2010 als gebundene Ausgabe im Droemer Verlag

6 Kommentare:

  1. Der Augensammler war mein erster Fitzek und ich fand ihn super. Es ist eine Geschichte, die unterhalten soll, da muss es nicht immer total logisch sein. Wie sagte Daniel Papiertourist: Das ist gutes Popcornkino.

    Ich habe danach übrigens Splitter gelesen und fand das grauenvoll. DAS war an den Haaren herbeigezogen, den Augensammler fand ich echt gut. So sind die Geschmäcker und das ist auch gut so. ;-)

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  2. Hi Chaosweib,

    es sei Dir gegönnt, dass Dir "Der Augensammler" gefallen hat. Es gibt ja viele Leser, die den Roman toll finden.

    Also hast Du schon Recht mit dem Geschmack, der durchaus unterschiedlich sein darf ;-)

    Viele Grüße,
    Jogi

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  3. ...ich konnte bisher leider nichts mit dem Autoren anfangen. Zwei abgebrochene Bücher sind meine Ausbeute.
    Deshalb habe ich es mit diesem gar nicht erst probiert.

    Das ist wie mit den deutschen Fernsehfilmen :-)

    LG
    Karin

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  4. Hallo Karin,

    na ja, ich hatte schon mal den einen oder anderen guten Thriller von Fitzek in der Hand, der durchaus spannend und unterhaltsam war. Umso enttäuschter war ich von "Der Augensammler". Ich lese zwischendrin immer mal wieder ganz gerne einen Thriller, so alle 3 - 4 Bücher. Und dann ist es schade, wenn man zu einer Gurke greift!

    Viele Grüße,
    Jogi

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  5. Nach den Thrillern davor kann ich Deine Enttäuschung nachvollziehen. Die Figur der Alina Gregoriev finde ich übrigens gelungen - aber auch mich hat das Wildwest-Gebahren einiger Figuren eher an amerikanische B-Movies erinnert.

    Das ungleich unterhaltsamere "Amok Spiel" gibt es jetzt übrigens als kostenloses Hörbuch: http://goo.gl/WK0xw
    (Sprecher ist der hervorragende Simon Jäger)

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  6. Hallo,

    ich bedanke mich für Deinen Kommentar. Und vielen Dank für den Tipp mit dem kosten losen Hörbuch.

    Ja stimmt, "Amok Spiel" fand ich auch ganz gut. Wir werden sehen, wie die nächsten Romane von Sebastian Fitzek werden. Denn das gibt es ja auch bei anderen erfolgreichen Autoren, dass ihnen mal ein Werk nicht GANZ so gut gelingt :-)

    Viele Grüße und schönes Wochenende,
    Jogi

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