Freitag, 22. Juli 2011

Massimo Carlotto - Banditenliebe

Massimo Carlotto ist dazu prädestiniert, Einblicke in den italienischen Untergrund zu gewähren, stand er doch selbst im Mittelpunkt eines außergewöhnlichen Gerichtsfalles, in dessen Verlauf er sich fünf Jahre auf der Flucht und anschließend sechs Jahre in Haft befand. Seit 1996 schreibt Massimo Carlotto Romane und hat in seinen Büchern den Privatdetektiv Marco Buratti, alias Alligator, ohne Lizenz für seine Tätigkeit, ein Bluesfan und dem Calvados frönend, ins Leben gerufen. Buratti, selbst mit Knasterfahrung, ist alleine nicht besonders professionell (beschattet er doch vorrangig fremdgehende Ehefrauen), jedoch kommt, zusammen mit seinen beiden Freunden Max la Memoria und Beniamino Rossini, ein gehöriges Maß an Wissen über die Verbrechenswirklichkeit in Italien zusammen. 

Aus dem Rechtsmedizinischen Institut der Universität in Padua werden 30 Kilo Heroin, 10 Kilogramm Kokain, dazu Amphetamine, Tabletten und Anabolika entwendet, das Ganze ohne jegliche Aufbruchspuren. Zwei Jahre später wird Rossinis Freundin Sylvie entführt, in ihrem Fahrzeug findet man einen goldenen Ring, als ein Zeichen der Gangsterhöflichkeit. Genau hier findet der Leser den Einstieg in „Banditendiebe“, denn wir erfahren, wie es dazu kam, dass Buratti und seine Freunde dazu gedrängt wurden, die Drogenbeute ausfindig zu machen und was hinter der Entführung von Sylvie steckt. Erstaunlich schnell legt die Polizei den Fall zu den Akten, doch die drei Protagonisten treiben sich in der Szene rum, treffen Spitzel, um an Informationen zu gelangen und bestechen im weiteren Verlauf sogar angesehene Rechtsanwälte, um so Licht ins Dunkel zu bringen. Dabei ergibt sich ein dichtes Geflecht an Zusammenhängen, dessen Weg bis in die Spitze der kosovarischen Mafia führt, die inzwischen, in Konkurrenz zu den ortsansässigen „Familien“, den Untergrund mitbestimmt. 

So weit, so gut. Man könnte meinen, ein typischer Mafiakrimi, recht ordentlich ausgedacht und spannend niedergeschrieben. Das ist es auch, aber Massimo Carlotto bietet uns wesentlich mehr, was diesen Roman sehr lesenswert macht. Zum einen wird deutlich, dass sich durch ein geöffnetes Europa die Strukturen der Mafia grenzüberschreitend ausbreiten. Insbesondere der Nordosten von Italien gerät ins Visier des Autors, zahlen gerade dort die ansässigen Konzerne wenig bis gar keine Steuern, befinden sich in dieser Region viele Callcenter, in denen Frauen zu Dumpinglöhnen arbeiten, so das ehrlich schaffende Bürgerinnen und Bürger an den Rand der Gesellschaft gedrückt werden. Polizisten lassen sich schmieren, man findet eine Vielzahl an Informanten und Restaurantbesitzer zahlen Schutzgeld, um unbehelligt von Mafia und der Polizei ihr Geschäft betreiben zu können. Es bilden sich zunehmend private Patrouillen, um die ständig steigende Kriminalität wenigsten ein bisschen zu senken. Dies alles klagt Carlotto, wohl zu Recht, in diesem Roman an. Noch dazu geht es, neben der äußerst unterhaltsamen Story, auch um die Beziehungen zwischen Männer und Frauen, die Banditenliebe. Beziehungen, die das Handeln bestimmen!

Dieser kurzweilige Krimi trifft es so ziemlich mit jeder Seite auf den Punkt. Trotz der lediglich 187 Seiten sollte man dem Geschehen jedoch ausreichende Aufmerksamkeit schenken, denn gerade durch die vielen teilnehmenden Personen kann man unter Umständen den roten Faden verlieren. Man achte besonders auf die Überschriften der jeweiligen Kapitel, um die Zeitsprünge zu verinnerlichen. Wenn das gelingt, dann erwartet den interessierten Bücherfreund mit „Banditenliebe“ ein überzeugender, lebendiger und unterhaltsamer Krimi aus dem kriminellen, italienischen Milieu, ganz ohne ermittelnde Polizisten, dafür aber mit drei Freunden, die uns, obwohl nicht immer sauber, ans Herzen wachsen und mit einem Ende, welches eine Fortsetzung geradezu herauf beschwört! 

ISBN-10: 3608502092
ISBN-13: 978-3608502091
187 Seiten
erschienen am 22. Juli 2011
Tropen bei Klett-Cotta

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