Freitag, 9. Dezember 2011

Jón Kalman Stefánsson - Der Schmerz der Engel

Jón Kalman Stefánsson nimmt uns mit auf eine Reise in Richtung des nördlichen Polarkreises. Island, die Insel im Nordatlantik, im Winter eisig kalt, mit rauen Naturgewalten, bergig und für einen Mitteleuropäer einsam. Menschen, die auf sich selbst gestellt sind, mit eigenen Spielregeln, an denen sich ihr Leben orientiert. Hart und grenzwertig.

Ein Junge, ein Waisenkind, und der Landbriefträger Jens begeben sich auf eine Postreise. Sie stemmen sich gegen die Naturgewalten, immer nah ab Abgrund und vor allen Dingen auf einem ganz schmalen Grat zwischen Leben und Tod. Island pur? Der Autor zeichnet für mich ein Bild eines zwar unwiderstehlichen, aber auch kaum zu bezwingenden Landes, welches durch die mehr oder weniger abschreckenden, aber faszinierenden  Beschreibungen Ehrfurcht einflößt, Respekt einfordert, aber auch auf der anderen Seite eine Menge an Sympathie und Liebenswürdigkeiten beim Leser hervorruft.

Dem werden insbesondere auch die Charaktere der Protagonisten gerecht. Der Junge, schon belesen und deswegen ein bisschen weiser als sein großer, lebenserfahrener Hüne. Der hingegen strotzt nur so vor Energie, kann hart und unversöhnlich mit sich selbst sein, und wirkt dennoch im späteren Verlauf der Geschichte auf den jungen Begleiter etwas angewiesen. Am Rande kann man erahnen, dass auch das Thema Freundschaft eine wichtige Rolle spielt. Mehr aber ist es die gegenseitige Verlässlichkeit, auf die es im Kampf gegen die Naturgewalten ankommt.

Dieses Buch ist zudem ein kleiner Gesellschaftsroman, wenn auch nur fast ausschließlich im ersten Teil des Buches. Der Einfluss der Kaufleute, die gesellschaftliche Stellung einer Arztfamilie, die Rolle der Frau in der isländischen hierarchischen Gesellschaftsstruktur und, man höre und staune, die Literatur selbst, sind interessante Aspekte, die dem Leser nahe gebracht werden. Das Ganze ginge natürlich noch viel intensiver und ausführlicher, so dass die beschriebene Reise und ihre Strapazen im zweiten Teil dieses Werkes und die damit verbundenen Inhaltsstoffe wahrlich bewusst, manchmal etwas ausufernd, von Stefánsson mehr in den Mittelpunkt gerückt wurden.

Das Buch liest sich nicht immer leicht. Dies stellt kein Problem dar, denn der Autor schafft es mit seiner intensiven, aber sanften Ausdruckskraft schnell, den Leser in den Geschehensablauf hinein zu ziehen. Fern ab von einem gewöhnlichen, aber unterhaltenden Actionroman wird man Zeuge eines Überlebenskampfes gegen die Gewalten der Natur, von zwei „Männern“, die nicht unterschiedlicher sein könnten. Sehr lesenswert!

ISBN-10: 3492053904
ISBN-13: 978-3492053907
343 Seiten
erschienen im September 2011
Piper

2 Kommentare:

  1. "Der Schmerz der Engel" liegt seit der Frankfurter Buchmesse 2011 auf meinem SuB. Deine Rezension ist wirklich sehr schön geschrieben und stimmt mich neugierig.

    LG, Tanja

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  2. Liebe Tanja,

    bitte entschuldige. Ich habe eben erst gesehen, dass Du einen Kommentar zu diesem Buch geschrieben hast. Ich danke dafür.

    Dir schöne Rest-Pfingsten, viele Grüße,
    Jogi

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