Freitag, 27. Mai 2011

Charlotte Lyne - Glencoe

Manchmal habe ich den Eindruck, dass die historischen Romane seit Ken Folletts „Die Säulen der Erde“ einen wahren Hype bei den Lesen erleben. Und je mehr es davon auf dem Markt gibt, umso kritischer betrachte ich. Nun gibt es verschiedene Aspekte, je nach Blickwinkel, die einen historischen Roman aus der Masse hervor heben können. Sei es die Story an sich, die den Leser mit einer gehörigen Portion an Spannung verwöhnt, sei es der verarbeitete Wahrheitsgehalt, der sich hinter der Story verbirgt. Manchmal ist es auch die Sprache, die der/die Autor(in) in seinem/ihrem Buch verwendet. 

„Glencoe“ hat von allem etwas und ist deswegen ein guter Roman. In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts tauchen wir in die schottischen Highlands ab. Dieses Hochland ist rau, die Winter sind kalt, die Sommer sind kurz. Dort leben die Clans, bis auf kriegerische Verbrüderungen, weitestehend jeder für sich. Es geht wie so oft um die englische Thronfolge. Auf der einen Seite Jamie Stuart, schottischer (Noch-)König, vom Clan der MacDonalds bedingungslos unterstützt. Zum anderen strebt Wilhelm von Oranien, mit der Tochter Marie Stuart verheiratet, ein Niederländer, den Thron an. Er wird vom Clan der Campbells gestützt. Mehr oder weniger historisch belegt reichen diese Tatsachen noch nicht aus, um den Buchwurm mitzureißen. Das aber der Sohn des Clanchefs der MacDonalds, Sandy Og, eine Tochter des verfeindeten Clanoberhauptes der Campbells, Sarah, heiratet und zu sich nimmt, gibt der ganzen Angelegenheit dann doch eine gewisse Würze. Sarah, weder anerkannt noch allgemeingültig für besonders attraktiv befunden, lebt in ihrer neuen Wahlheimat ein einsames und verspottetes Leben. Als dann der Erstgeborene auch noch verkrüppelt zur Welt kommt, scheint eine positive Entwicklung des gemeinsamen Lebens unmöglich.

Es sind die Charaktere, die Charlotte Lyne in ihrem Buch liebevoll zeichnet. Sandy Og, der von seiner Statur durchaus auch ein Draufgänger sein könnte, vermag den Leser durch sein Verhalten ein ums andere Mal die Frage stellen lassen, wann denn nun eine entsprechende und nachhaltige Reaktion erfolgt. Sarah, die bei aller Verzweiflung ihren Mann und ihren Sohn immer in den Vordergrund stellt, die Chiefs der beteiligten Clans, die geradezu verbittert an ihren Tugenden und ihren gegebenen Versprechen festhalten, koste es, was es wolle. Eine einsame Marie Stuart, die völlig andere Erwartungen als ihr Gatte hat. Die handelnden Personen in den Feldzügen, mit Siegen und Niederlagen, aber vor allen Dingen die Geschehnisse und Versäumnisse, die letztlich zum Massaker von Glencoe führen, heben dieses Buch sehr weit nach oben. Die Sprache der Schriftstellerin unterscheidet sich vom Üblichen, verlangt zwar etwas mehr Aufmerksamkeit, doch ist genau das der Unterschied zu vielen anderen historischen Romanen, der das berühmte Salz in der Suppe ausmacht.

Als Schwiegertochter eines Schotten hat die Autorin in der von ihr beschriebenen Gegend gelebt. Dies scheint der Garant dafür zu sein, dass ich von Beginn an beim Lesen der Zeilen einen klaren Blick auf das mir unbekannte schottische Hochland hatte. Eine schöne und spannende Atmosphäre in den Abendstunden bei einem guten Glas Rotwein!

ISBN-10: 3431038190
 ISBN-13: 978-3431038194
erschienen am 25. September 2010
640 Seiten
Lübbe Ehrenwith Verlag

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